Jazz, Jetlag und Lebenskunst: Till Brönner über Musik, Männerfreundschaften und das Älterwerden

Was bedeutet es, mit 54 Jahren noch immer kreativ zu sein? Jazz-Trompeter und Fotograf Till Brönner spricht mit Kai Bösel über Musik, Freundschaft, Stil und die Kunst, das Leben zu genießen – und warum man Kunst nicht einfach wie Wasser streamen kann.

30. September 2025 4 Minuten

Jazz, Jetlag und Lebenskunst: Till Brönner über Musik, Männerfreundschaften und das Älterwerden

Was bedeutet es, mit 54 Jahren noch immer kreativ zu sein – in einer Welt, die sich schneller verändert als je zuvor?

Till Brönner ist nicht nur Deutschlands bekanntester Jazztrompeter, sondern auch ein Musiker mit Haltung. Einer, der gesellschaftliche Entwicklungen reflektiert, künstlerische Maßstäbe setzt – und trotzdem weiß, wie man Menschen berührt. Im Gespräch mit Kai Bösel für den NOT TOO OLD Podcast wird klar: Hier spricht ein Mann, der das Älterwerden nicht als Verlust, sondern als Chance begreift.

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„Improvisation ist die Kunst des Plan B“

Schon mit dem ersten Statement markiert Till Brönner die Haltung, mit der er auf die Welt blickt: Jazz ist für ihn mehr als Musik. Es ist eine Methode, um das Leben zu meistern – mit seinen Krisen, Umwegen und Überraschungen.

"Improvisation kommt dann zum Tragen, wenn gerade Plan B gefragt ist. Und ich glaube, dass die Kunst des Improvisierens in so unsicheren Zeiten wie jetzt wieder an großer Aktualität gewinnt."

Dabei geht es nicht um schöne Worte. Brönner spricht über Krieg, über Unsicherheit, über die Sehnsucht nach Gemeinschaft. Und darüber, wie Musik ein Raum sein kann, in dem all das verhandelt wird.

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Kindheit in Rom, Album in Bari

Mit seinem neuen Album Italia geht Brönner musikalisch zurück zu seinen Wurzeln: aufgewachsen in Italien, geprägt von Melodie, Stil und Selbstverständnis eines Landes, das Genuss nicht als Luxus, sondern als Lebenskunst versteht.

"Ich wollte ein Album machen, das auch in zehn Jahren noch Relevanz hat. Das Projekt musste reifen. Und dann war es Zeit."

Statt bequem im Berliner Studio einzuspielen, reist Brönner nach Rom und Bari, um vor Ort mit italienischen Musikern aufzunehmen. Ergebnis: Ein zutiefst persönliches Album, das sich bewusst auf die Sechziger bis Achtziger Jahre konzentriert – eine Ära, in der Musik "aus Fleisch und Blut" entstand.

Zwischen Vinyl und Streamingfrust

Auch über das Musikbusiness verliert Brönner klare Worte. Er kritisiert die Monetarisierung durch Streaming, den „Wasserhahn-Effekt“:

"Musik ist keine Selbstverständlichkeit. Man kann nicht einfach erwarten, dass sie wie Wasser aus dem Hahn kommt."

Obwohl Italia bis auf Platz 5 der deutschen Charts steigt, geht es ihm nicht um Verkaufszahlen. Sondern um das Bewusstsein für Wertschätzung: gegenüber Kunst, Handwerk, Klangqualität – und den Menschen dahinter.

Stil ist Haltung

Till Brönner spricht über Stilbewusstsein ohne Eitelkeit. Über italienische Mütter, die sich selbst für den Marktbesuch zurechtmachen. Und darüber, wie eine gute Brille plötzlich zum Symbol des Alterns wird. Wenn er als Musiker fotografiert wird, hinterher draufschaut und merkt, dass er keine 25 mehr ist. 

Dabei wirkt nichts aufgesetzt. Weder seine Liebe zur Mode noch sein Blick auf das Leben. Brönner verkörpert genau jene Mischung aus Coolness, Erfahrung und Selbstironie, die man in der zweiten Lebenshälfte nicht mehr erklären muss – sondern lebt.

Zwischen Patchwork, Professur und Perspektivwechsel

Till Brönner lebt zwischen Konzertbühnen, Patchworkfamilie und Fotostudio. Er unterrichtet als Professor, pendelt durchs Land und wünscht sich vor allem eines: weniger Flughäfen, mehr eigene Autofahrten.

"Ich werde nicht fürs Musizieren bezahlt. Sondern fürs Reisen."

Er spricht über schwindende Aufmerksamkeitsspannen, über die mentale Vorbereitung vor Auftritten, über Bodybuilding für die Lippen. Und über das Glück, auch als erfolgreicher Künstler noch neugierig bleiben zu dürfen.

"Manchmal musst du aus dem Raum rausgehen, um ihn neu zu betreten."

Was bleibt? Unser Fazit

Diese Folge des NOT TOO OLD Podcasts mit Kai Bösel ist mehr als ein Gespräch über Jazz. Sie ist ein Zeitdokument für alle, die zwischen Performance und Reflexion, zwischen Familie und Beruf, zwischen Haltung und Genuss ihren Platz finden wollen.

Till Brönner liefert keine einfachen Antworten. Aber viele Denkanstöße. Und genau das macht ihn zu einem idealen Gast für einen Podcast, der Männern in der zweiten Lebenshälfte nicht sagt, wie sie leben sollen. Sondern fragt: Was willst du wirklich?

🎧 Jetzt reinhören: Zur Podcastfolge auf YouTube🎙️ Alle Folgen unter: NOT TOO OLD Podcast mit Kai Bösel: 

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