Zwischen Reiz und Reue: Wie schwierig ist treu sein?
Erfahre, warum Treue im 21. Jahrhundert mehr ist als ein Versprechen und wie man in einer Welt voller Versuchungen klar bleibt.
- Zwischen Reiz und Reue: Warum Treue heutzutage so herausfordernd ist
- Treue unter Druck – warum gerade jetzt?
- Warum fällt es schwer, treu zu bleiben?
- Treue braucht Klarheit – nicht Perfektion
Zwischen Reiz und Reue: Warum Treue im 21. Jahrhundert mehr ist als ein Versprechen
"Ich liebe meine Freundin. Trotzdem habe ich mit einer anderen geschrieben."
Es war nichts Körperliches, sagt er. Nur ein paar Nachrichten. Ein bisschen Flirten. Ein kleines Spiel mit dem Feuer – aus Langeweile, aus Neugier, aus einem Bedürfnis nach Bestätigung. Und trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Bei ihr. Bei ihm. Bei uns allen?
Treue war mal einfach. Entweder du bist es – oder eben nicht. Schwarz oder Weiß. Heute? Alles Grauzone. Vielleicht war es aber auch schon immer so, aber heute ist die Verlockung um ein Vielfaches größer: Zwischen Instagram-Flirts, offenen Beziehungen und Beziehungsmodellen mit Fußnoten wird aus einer klaren Regel ein Verhandlungsspiel.
Treue unter Druck – warum gerade jetzt?
Laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2023 gaben rund 51 Prozent der befragten Deutschen an, in ihrer Partnerschaft schon einmal untreu gewesen zu sein – sei es körperlich oder emotional. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Kommunikation angeblich nie so einfach war. Was läuft schief?
Paartherapien boomen. Podcasts über emotionale Intelligenz und männliche Verletzlichkeit füllen die Top 10. Gleichzeitig sind Dating-Apps allgegenwärtig. Du bist in einer Beziehung – aber die Versuchung ist einen Wisch entfernt.
TikTok diskutiert unter #emotionalcheating über das neue Fremdgehen. Und während wir über offene Beziehungen sprechen, fehlen vielen noch immer die Worte für Nähe.
Was heißt eigentlich „treu sein“?
Und: Wer darf das definieren? Treue ist längst keine universelle Kategorie mehr. Für den einen beginnt Untreue beim ersten heimlichen Chat, für die andere erst beim Sex. Manche Paare leben polyamor, andere schwören auf Monogamie – und wieder andere verhandeln alles neu.
Treue, sagt die Psychologie, ist ein Bedürfnis nach Verlässlichkeit. Nach einem sicheren Ort im Sturm des Lebens. Aber sie ist auch Spiegel unserer Biografie: Wie viel Halt habe ich in mir selbst – und wie viel brauche ich im Anderen?
Früher war Treue oft ein Machtspiel. Heute ist sie eine bewusste Entscheidung. Und gerade deshalb nicht immer bequem. Aber vielleicht genau deshalb so kostbar.
Warum es so schwer ist, treu zu bleiben
1. Zu viele Optionen, zu wenig Orientierung: Wir leben im Modus des Dauerangebots. Mehr Matches, mehr Likes, mehr Aufmerksamkeit. Die ständige Reizüberflutung trifft auf Menschen, die selten gelernt haben, sich in Beziehungen emotional zu verankern.
2. Nähe ist kein Kinderspiel: Viele Männer – und auch Frauen – haben nie gelernt, über Bedürfnisse zu sprechen. Wer sich emotional nicht zeigen kann, sucht sich oft Bestätigung im Außen. Nicht weil die Beziehung schlecht ist – sondern weil Nähe verlernt wurde.
3. Das Ideal vom perfekten Partner: Wir erwarten, dass eine Person alles erfüllt: Sexuelle Spannung, emotionale Tiefe, Sicherheit, Abenteuer. Kein Wunder, dass viele irgendwann denken: „Vielleicht gibt’s da draußen jemanden, der es besser kann.“

Treue heißt nicht automatisch Monogamie
Offen, poly, exklusiv, hybrid – Beziehung 2025 hat viele Gesichter. Und das ist gut so. Solange Klarheit herrscht. Solange Vereinbarungen nicht gebrochen werden. Solange Vertrauen nicht zur Nebensache wird.
Untreue beginnt nicht erst mit dem Kuss. Sondern mit der Lüge. Mit dem, was nicht ausgesprochen wird. Wer andere Beziehungsmodelle lebt, braucht Mut. Und Gesprächsbereitschaft. Und vor allem: Ehrlichkeit – sich selbst und anderen gegenüber.
Drei Stimmen – drei Blickwinkel
Tom (38), Vater: "Ich war emotional untreu. Nicht, weil ich meine Partnerin nicht geliebt habe – sondern, weil ich mich selbst nicht gespürt habe."
Leila (34), Paartherapeutin: "Treue ist keine Glückssache. Es ist eine Haltung. Wer Klarheit in sich trägt, ist weniger anfällig für Seitensprünge."
David (29), lebt polyamor: "Ich dachte, offene Beziehung heißt: Keine Regeln. Heute weiß ich: Es braucht doppelt so viel Kommunikation."
Treue braucht Klarheit – nicht Perfektion
Treue ist kein Zwang. Sie ist auch kein Zeichen von Rückständigkeit. Sie ist eine Wahl. Eine Entscheidung, die man immer wieder neu trifft. Und sie hat viel mehr mit Selbstkenntnis zu tun als mit Disziplin.
Der "Neo-Gentlemen" redet über das, was in ihm vorgeht. Er verhandelt Beziehung auf Augenhöhe. Und er bleibt nicht treu, weil er muss. Sondern weil er will. Oder eben nicht, weil beide gemeinsam darüber verhandelt haben und ihre Bedürfnisse damit achten.

Wir bringen es Dir noch einmal auf den Punkt
Treue ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist eine bewusste Praxis. Nähe entsteht durch Sprache – nicht durch Kontrolle. Neue Modelle sind möglich – aber nicht automatisch einfacher. Untreue kann der Anfang von Veränderung sein – nicht nur das Ende. Wer sich selbst versteht, verletzt andere seltener.
Treue ist kein starres Konzept. Beziehungen verändern sich, und mit ihnen auch unsere Vorstellungen von Verbindlichkeit, Freiheit und Nähe. Vielleicht ist der wichtigste Schritt nicht, sich ein für alle Mal festzulegen – sondern immer wieder neu hinzusehen: Passt das Modell noch zu uns? Gibt es etwas, das wir übersehen haben? Oder etwas, das wachsen darf?
Denn Treue beginnt nicht mit einem Versprechen. Sondern mit einem Gespräch.
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